Das Arbeitsverfassungsgesetz
Interessenausgleich im Betrieb
Eine nicht unwesentliche Säule unserer Demokratie findet sich in der Arbeitswelt. Seit 50 Jahren regelt das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) die Spielregeln hierfür: die Rechte (und Pflichten) der Belegschaft und ihrer gewählten Vertretung, des Betriebsrats. Die Arbeitsverfassung soll ein Machtgleichgewicht zwischen Belegschaft und Betriebsinhaber:in herstellen – einen Instrumentenkoffer zum Ausgleich der gegenstrebenden Interessen bieten.
Der Bogen der betrieblichen Mitbestimmung reicht von Informations- und Auskunftsrechten des Betriebsrats, über mannigfaltige Möglichkeiten, Betriebsvereinbarungen mit der Unternehmensführung (über Arbeitszeit, gegen Überwachungsmaßnahmen, für bessere Vereinbarkeit von Job und Familie etc) abzuschließen, bis hin zu personellen Mitwirkungsbefugnissen. Entstanden ist es in der Ära Kreisky, getreu seinem Motto, alle Lebensbereiche „mit Demokratie zu durchdringen“. Das ist dem ArbVG über die Jahrzehnte gut gelungen – doch in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und Prekarisierung gibt es dennoch einigen Handlungsbedarf.
Stiefkind war und ist vor allem die wirtschaftliche Mitbestimmung. Viel zu oft wird der Betriebsrat hier z.B. bei Umstrukturierungen vor vollendete Tatsachen gestellt und ist darauf beschränkt, nachteilige Folgen für die Belegschaft abzumildern. Hier braucht es mehr und frühere Information und echte Mitbestimmung, insbesondere in Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen bei betrieblichen Veränderungen und Transformationen.
Doch auch der Geltungsbereich des ArbVG selbst muss einer Generalsanierung unterzogen werden: Denn das männliche Vollzeitarbeitsverhältnis, bestmöglich bis zur Pension im selben Unternehmen, stellt immer seltener den Regelfall dar. Arbeitskräfteüberlassung, freie Dienstnehmer:innen, Teilzeitbeschäftigte – sie alle sind Gruppen, auf die die betriebliche Mitbestimmung gar nicht oder nur holprig passt.
Autorin: Susanne Haslinger ist Juristin und leitet die Grundlagenabteilung der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE)
Weitere Informationen:
Artikel: Die Menschen hinter den Paragraphen
Artikel: Arbeitsverfassungsgesetz modernisieren: Macht im (Un)Gleichgewicht